Für Veränderungen ist es nie zu spät

Noch einmal neu durchstarten – mit der inneren Stimme alsKompass: Dafür musst du kein Star sein wie der frühere BVB-Fußballprofi Neven Subotić. Was du gewinnst, wenn du dich von deinen Werten leiten lässt.

Veröffentlicht am 01.10.2025
5 Min. Lesezeit
Portrait von Neven Subotic

Wie folge ich meiner inneren Stimme?

Neven Subotić hatte alles, wonach viele Menschen streben: eine tolle Karriere, ein gutes Einkommen, Ruhm. Und dennoch hinterfragte er sein Leben und ordnete es neu. Wie gelingt der Umgang mit Veränderungen? Wie folgen wir unserer inneren Stimme? Was wir gewinnen können, wenn wir die gewohnten Pfade verlassen, erklärt Rebecca Luczak, Change-Expertin bei SIGNAL IDUNA. 

Was ist mein Ziel?

Rebecca, was denkst du: Was hat Neven Subotić bewogen, noch während seiner Fußballkarriere einen ganz anderen Weg einzuschlagen und eine Stiftung zu gründen?

Rebecca: Er war an einem Punkt, an dem er das Gefühl hatte: Das allein bin ich nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Neven ein sehr bewegtes Leben. Nach seiner Flucht in der Kindheit aus dem Balkan ging es zunächst darum, in Deutschland Fuß zu fassen. Da zählten vor allem existenzielle Dinge wie Sicherheit, Einkommen, ein Zuhause. Später ging er mit seiner Familie in die USA und kam als Fußballprofi nach Deutschland zurück. Den Zusammenhalt und die Gemeinschaft in Dortmund und beim BVB schätzte er sehr. Hier fand Neven endlich ein Zuhause – nur mit dem Lifestyle als Fußball-Promi konnte er sich nicht identifizieren.

Er hat also irgendwann festgestellt, dass da etwas nicht passt?

Ja, er hat seine Werte hinterfragt und herausgefunden, dass er anderen Menschen helfen und etwas bewirken wollte. Wir können immer wieder in uns hineinhorchen und uns fragen: Ist das noch mein Ziel? Was sind die Kosten dafür? Was lebe ich möglicherweise nicht? Meine Werte lebe ich nur, wenn ich auch danach handele.

Werte geben Halt

Werte sind etwas ziemlich Abstraktes. Wie würdest du sie beschreiben?

Der Psychiater Raphael Bonelli hat dafür eine greifbare Definition: Werte sind Qualitäten von Ideen oder Handlungen, die man hat. Zugleich sind Werte unser Kompass: Sie dienen dazu, uns danach auszurichten, und geben uns langfristig Konstanz – zum Beispiel, um unsere Träume zu verfolgen.

Woher kommen Wertvorstellungen überhaupt?

Sie speisen sich aus unserer Erziehung und aus unserer Kultur. Von unseren Eltern haben wir vielleicht gelernt, dass Sicherheit ein wichtiger Wert ist, oder durch die christliche Kultur etwa den Wert Nächstenliebe. Doch unser Wertesystem kann sich verändern – zum Beispiel, wenn wir in eine neue Kultur eintauchen oder Mitglied einer neuen Gruppe werden. Werte können sich stabilisieren, wenn ich danach handele, aber ich kann sie auch verlieren, wenn ich das länger nicht tue.

Wie finde ich heraus, von welchen Werten ich mich leiten lassen möchte?

Dabei hilft es, sich die sogenannte Sterbebettfrage zu stellen: Welcher Mensch möchte ich gewesen sein? Wie möchte ich in Erinnerung bleiben? Mit einer ehrlichen Antwort darauf kann ich leicht herausfinden, welche Werte mir am meisten am Herzen liegen.

Neven Subotić

„Ich wollte etwas tun, das bleibt“

Neven Subotić weiß, was es heißt, neu anzufangen – als Kind des Balkankriegs und als Profifußballer. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere bei Borussia Dortmund setzte er sein Herzensprojekt um: Seine Stiftung well:fair foundation macht sich – auch mit Unterstützung von SIGNAL IDUNA – stark für den Zugang zu Trinkwasser und Bildung sowie bessere Lebensbedingungen in Ostafrika. 

Krise als Chance

Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich auf seine Werte zu besinnen?

Der Zeitpunkt ist – wie bei Neven – genau dann, wenn mir auffällt, dass etwas nicht stimmt. In Krisenzeiten ist es gut, sich zu fragen: Was ist mein Ziel? Was sind meine Träume? Was hilft mir dabei, sie zu erreichen? Grundsätzlich ist es zu jedem Zeitpunkt möglich, etwas zu verändern. Unser Gehirn kann sich noch bis ins hohe Alter durch Erfahrung und Denken verändern und auf etwas Neues einstellen.

Dennoch streben manche Menschen stets nach Veränderungen, während andere lieber an gewohnten Strukturen festhalten.

Wir können es üben, besser mit Veränderungen zurechtzukommen. Wenn ich sehr sicherheitsorientiert bin, kann ich zum Beispiel mal eine andere Urlaubsunterkunft buchen als das All-inclusive-Hotel, das ich sonst jedes Jahr nehme – eine Unterkunft, in der ich stärker in die die Kultur des Landes eintauche. Ich wage mich also in eine unsichere Situation und reflektiere dann: Was habe ich über mich gelernt? Was nehme ich Positives mit?

Rituale für den Neuanfang

Manchmal sind Veränderungen nicht selbst gewählt, sondern äußere Umstände zwingen uns dazu: eine Krankheit zum Beispiel oder ein Jobverlust. Was macht es leichter, solche Veränderungen zu bewältigen?

Rituale sind wichtig, um zu akzeptieren, dass ich mich von etwas verabschieden muss und dass etwas Neues anfängt. Eine Beerdigung ist zum Beispiel ein wichtiges Ritual, um sich von einer nahestehenden Person zu verabschieden. Ratsam ist außerdem, den Blick nicht nur auf das zu richten, was ich loslassen muss, sondern auf das, was bleibt: bei einer Krankheit oder Einschränkungen zum Beispiel auf besondere Fähigkeiten zu schauen, über die ich verfüge. Oder bei einem Jobverlust auf liebe Menschen in meinem Umfeld, die mich stärken.

Welche Rolle spielt Gemeinschaft beim Bewältigen von Veränderungen?

Veränderung gelingt besonders gut in Gemeinschaft: Sie kann uns mental stärken. Andere Menschen können mich spiegeln, mich ermutigen. Gemeinsam können wir mehr erreichen. Wir haben mehr finanzielle Mittel, mehr Ideen und einen besseren Outcome. Auch Neven Subotic hat die Kraft der Gemeinschaft genutzt und eine Bewegung erzeugt, um mehr soziale Gerechtigkeit in der Welt zu bewirken.

Allerdings verfügt Neven über Netzwerke, die den Aufbau seiner Stiftung sicherlich erleichtert haben. Wie schaffen Menschen wie du und ich es, unsere Ziele zu erreichen?

Indem ich mir bewusst mache, was meine eigenen Ressourcen sind: Was habe ich für Fähigkeiten? Mit wem stehe ich in Beziehung? Wen kann ich für mein Projekt gewinnen? Was kann ich mir aneignen, um meine Ziele zu erreichen? Wenn ich zum Beispiel das Ziel habe, einen Halbmarathon zu laufen, kann ich im Freundeskreis schauen, wen ich dafür begeistern kann oder wer mit Tipps geben kann.

Streben nach Sinn

Noch einmal zurück zu den Werten: Verhilft mir die Orientierung an meinen Werten zu einem glücklicheren Leben?

Aus wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass zwei Aspekte für ein gelingendes Leben besonders wichtig sind: erstens Sinnhaftigkeit und zweitens, in stabilen, langfristigen Beziehungen zu sein. Alle Werte, die darauf einzahlen, helfen, ein gelingendes Leben zu gestalten. Für Neven ist es zum Beispiel ein wichtiger Wert, Verantwortung zu übernehmen und damit zu mehr Gerechtigkeit beizutragen. Das zahlt auf die Sinnhaftigkeit ein. Mit der Anerkennung, die er im Fußball erfuhr, konnte er diese Sinnhaftigkeit allein nicht erzielen.

Was bringt es, wenn ich mich wie Neven mehr von meinen Werten leiten lasse als von Äußerlichkeiten?

Wenn ich mich von meiner inneren Stimme leiten lasse, erlebe ich mich als authentisch. Die Energie, die ich aufwende, fließt in etwas, das für mein Leben sinnvoll ist. Wenn ich nach meinen Werten handele, stärke ich meine Identität. Die Werte prägen mein Handeln – und umgekehrt prägt mein Handeln auch meine Werte.

Rebecca Luczak

„Werte sind unser Kompass“

Rebecca Luczak beschäftigt sich wissenschaftlich und in der Praxis mit dem Thema Veränderungen: Als Change-Expertin und systemischer Coachbegleitet sie Veränderungsprozesse bei SIGNAL IDUNA. Rebecca hat International
Management und Wirtschaftspsychologie studiert.

Konflikte machen krank

Was passiert, wenn meine persönlichen Werte nicht im Einklang mit den Anforderungen von außen stehen?

Dann kommt es zu einem Konflikt. Das kann zum Beispiel passieren, wenn ich in meinem Job entgegen meiner inneren Stimme handeln muss. Es kostet viel Energie, sich in solchen Situationen zurückzuhalten. Ein starker Konflikt über längere Zeit zwischen Werten und Handeln kann sogar ein Burnout fördern. Es ist wichtig, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und einen anderen Weg einzuschlagen.

Ein harter Schnitt. Wie stelle ich mich anschließend neu auf?

Es fühlt sich nicht schön an, sich einzugestehen, dass man nicht so ist, wie man sein möchte. Und es kann schmerzlich sein, sich vielleicht sogar von einem Umfeld oder Menschen zu distanzieren, weil man ihre Werte nicht mehr teilt. Aber es hilft, in sich hineinzuhorchen. Wünsche ich mir zum Beispiel wie Neven wieder mehr Bodenständigkeit statt eines Jet-Set-Lebens, kann ich daran gehen, meine Gewohnheiten zu verändern: Zum Beispiel, öfter mit der Familie gemeinsam zu kochen statt essen zu gehen. Auch viele kleine Schritte bewirken eine Veränderung.

Quellen

[1] Raphael Bonelli: Die Weisheit des Herzens. Wie wir werden, was wir sein wollen (Goldmann Verlag)

[2] Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie: Forschung der Positiven Psychologie | DGPP

[3] Dr. Judith Mangelsdorf: Positive Psychologie. Stärker durch Krisen. Keynote Dr. Judith Mangelsdorf | Positive Psychologie | Stärker durch die Krise

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