Wie du Hindernisse nutzt, um stärker zu werden

Manchmal gleich das Leben einem Hürdenlauf: Kaum ist ein Hindernis überwunden, wartet schon das nächste. Für Goalfußballerin Conny Dietz war ihre Sehbehinderung immer Antrieb. Wie du Herausforderungen bewältigst und an deinen Träumen festhältst.

Veröffentlicht am 27.10.2025
5 Min. Lesezeit
Conny Dietz posiert im Stadion Rote Erde

Hindernisse selbstbewusst meistern

Mit Sehbehinderung zur Goldmedaille? Ja, das geht, wie Conny Dietz beweist. „Hürden sind da, um dir zu zeigen, wie stark du bist“, sagt die frühere Goalballerin selbstbewusst. Heute schwenkt sie als lebendes Maskottchen die Fahne für ihren Fußballverein Borussia Dortmund und engagiert sich im BVB-Lernzentrum – einer Initiative des Fan-Projekt Dortmund e. V. – für gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Werte. Was wir von Conny lernen können und wie wir selbst besser mit Hindernissen umgehen, verraten uns Rebecca Luczak und Lisa Rehorst von SIGNAL IDUNA.

Das Geheimnis der positiven Haltung

Was ist das Geheimnis einer positiven Lebenseinstellung, wie Conny Dietz sie verkörpert?

Rebecca: Eine solch positive Haltung, die Herausforderungen als Chance begreift, gründet häufig auf Erfahrungen in der Kindheit und beim Erwachsenwerden. Viele Glaubenssätze werden durch unsere frühen Bezugspersonen, also zum Beispiel Eltern oder später dann auch Lehrerinnen und Lehrer, geprägt. Aber auch als Erwachsene können Beziehungen oder Lebensereignisse unsere Haltung beeinflussen. Und wir können selbst noch Einfluss auf unsere Haltung nehmen. Connys Ausstrahlung zeugt von einem starken Selbstwert und Selbstbewusstsein. Sie ist sich ihrer besonderen Fähigkeiten bewusst und möchte sie mit anderen teilen.

Was kann ich selbst tun, um ein solches Selbstbewusstsein zu entwickeln?

Lisa: Es geht darum, seine Eigenverantwortung zu spüren und Handlungsspielräume zu nutzen, also um Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung. Die Akzeptanz der Realität gehört dazu. Auch Conny kennt Momente, in denen sie an ihre Grenzen stößt oder unerwartete Hindernisse erlebt. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Man muss sich Zeit nehmen innezuhalten, zu reflektieren und zu spüren. Nur so kommen wir aus dem Hamsterrad raus und erkennen unsere eigenen Ressourcen.

Ressourcen aktivieren

Sind diese Ressourcen wichtig, um mentale Stärke zu entwickeln?

Rebecca: Mentale Stärke heißt, seine Ressourcen zu aktivieren. Dafür muss ich erkennen, was mir hilft: welche Menschen, Orte, Fähigkeiten oder Tätigkeiten. Dann kann ich diese aktiv als Unterstützung wählen – zum Beispiel, indem ich mir einen besonderen Ort ins Gedächtnis rufe, an dem ich mich kraftvoll fühle oder Ruhe spüre. 

Lisa: Solche Visualisierungen und weitere Strategien wie bewusstes Atmen helfen, sich zu fokussieren. Dieser gezielte Fokus im entscheidenden Moment ist maßgeblich, um zum Beispiel im Sport die eigenen Ressourcen optimal zu nutzen und erfolgreich zu sein.

Brauchen wir Herausforderungen und Hürden, um stärker zu werden und uns weiterzuentwickeln?

Lisa: Wenn wir richtig damit umgehen, machen Herausforderungen uns tatsächlich stärker. Das ist wie beim Muskelaufbau: Ein Muskel wächst nur, wenn er trainiert und gefordert wird. Genauso ist es mit Herausforderungen: Entscheidend ist, dass wir sie annehmen, uns mit ihnen auseinandersetzen und daraus lernen. Dann können wir gestärkt daraus hervorgehen.

Wie gelingt das Bewältigen von Herausforderungen am besten?

Rebecca: An neue Herausforderungen kann ich mich am besten in kleinen Schritten und in einem geschützten Raum herantasten: zum Beispiel einen Vortrag erst einmal vor einer vertrauten Person halten. Denn wenn die Herausforderungen zu groß sind, kann es passieren, dass man in die Panikzone rutscht. 

Mit Selbstfürsorge aus dem Tief

Wie gewinne ich nach einer langwierigen Sportverletzung oder einer schweren Krankheit meine Motivation und meinen Lebensmut zurück? 

Lisa: Eine wichtige Strategie ist die Selbstfürsorge – sowohl körperlich als auch mental. Das bedeutet, kleine Schritte zu gehen und sich nicht zu überfordern. Es hilft, sich auf die kleinen Fortschritte zu konzentrieren und jeden einzelnen davon zu feiern. Gleichzeitig ist es hilfreich, den Blick auf das zu richten, was trotz allem gut funktioniert: Dankbarkeit für die Basics, wie den Herzschlag und die Atmung, kann hier viel bewirken.

Also erst einmal innehalten und in sich hineinhören?

Rebecca: Ja, Selbstmitgefühl spielt eine wichtige Rolle: Ich sollte mir selbst ein Freund sein und schauen, was mir guttut. In welchen Situationen, mit welchen Menschen fühle ich mich besser? Wenn ich sehr entmutigt bin, kann mir die Gemeinschaft und Unterstützung aus dem Freundeskreis oder der Familie helfen.

Conny Dietz

„Einschränkungen können beflügeln“

Conny Dietz ist von Geburt an hochgradig sehbehindert. Ihre Einschränkung hat sie nie als Sackgasse empfunden, sondern als Antrieb genommen. Mit Fleiß und sportlichem Ehrgeiz holte sie im deutschen Goalball-Team paralympisches Gold. Heute engagiert sie sich ehrenamtlich im gemeinnützigen Verein Lernort e. V., beim BVB-Lernzentrum, bei der BVB-Fanabteilung sowie im BVB-Fanclub „Blind Date“. 

Kraft schöpfen aus der Gemeinschaft

Auch Conny Dietz schöpft Kraft aus der Gemeinschaft. Bei ihr ist es der Fußballverein. Wie hilft soziale Unterstützung dabei, mit Herausforderungen umzugehen?

Rebecca: Wir haben von Geburt an ein Grundbedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit. Die Familie oder der langjährige Freundeskreis sind zum Beispiel starke Ressourcen. Sie bieten sichere Räume, um Herausforderungen zu meistern. 

Lisa: Soziale Unterstützung stärkt unsere Resilienz, also unsere psychische Widerstandskraft, und unsere Wohlbefinden. Die Gemeinschaft gibt uns das Gefühl der Zugehörigkeit, sie kann uns motivieren und ermutigen. 

Was gewinnen Menschen, wenn sie die Gemeinschaft nicht nur als Kraftquelle nutzen, sondern sich – wie Conny Dietz – ehrenamtlich engagieren?

Rebecca: Wenn ich etwas für die Gemeinschaft tue, der ich mich zugehörig fühle, erlebe ich Verbundenheit. Eine solches Engagement gibt unserem Leben einen übergeordneten Sinn. Conny bekommt dabei viel zurück, zum Beispiel Energie und Dankbarkeit.

Lisa: Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, erfahren Selbstwirksamkeit. Sie erleben, dass ihr Handeln einen Unterschied macht und sie aktiv gestalten können. Das ist eine sehr heilsame und stärkende Erfahrung: Es ermöglicht, den Fokus von den eigenen Herausforderungen zu lösen und zu spüren, wie man selbst einen positiven Beitrag leisten kann. Dieser Perspektivwechsel vom Empfangen zum Geben kann unglaublich befreiend und stärkend wirken.

Lisa Rehorst

"Jedes Leben ist ein Auf und Ab"

Lisa hat Wirtschaftspsychologie studiert und arbeitet seit 2024 bei SIGNAL IDUNA. Als Führungskraft und Beraterin sammelte sie langjährig wertvolle Erfahrungen in der Begleitung von Menschen in Phasen beruflicher Veränderung und Unsicherheit. Aktuell unterstützt sie als Personalentwicklerin Führungskräfte bei ihrer Weiterentwicklung und ist zudem als MBSR-Lehrerin (Mindfulness-Based Stress Reduction, achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) Expertin in Sachen Stressbewältigung.

Selbstwirksamkeit stärken

Den Fokus auf das Positive lenken – davon hört und liest man oft. Aber was heißt das eigentlich? 

Lisa: Ein positiver Fokus bedeutet nicht, Probleme zu ignorieren. Er hilft, seine Energie bewusst zu verwenden für Dinge, die man selbst angehen kann. Das kann bedeuten, sich auf kleine, erreichbare Ziele zu konzentrieren, wie das Erlernen einer neuen Fähigkeit oder das erfolgreiche Abschließen eines kleinen Projekts. Vielleicht ist es auch das Etablieren einer wohltuenden Gewohnheit. Das stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit und eine Haltung der Dankbarkeit.

Rebecca: Indem ich neben meinen Ängsten und Sorgen bewusst auch die positiven Aspekte meines Lebens betrachte, stelle ich eine Ganzheitlichkeit her, eine Balance. Das verschafft mir mehr Chancen auf Augenblicke, in denen ich ganz mit mir im Reinen bin und das Leben pur erlebe.

Tipps für einen positiven Fokus

  • Achtsamkeit praktizieren: Halte bewusst inne und nimm den Moment wahr, ohne ihn zu bewerten. Alle Gedanken und Gefühle dürfen da sein. 
  • Dankbarkeit üben: Notiere täglich drei Dinge, für die du dankbar bist. 
  • Raum für Reflexion nehmen: Frage dich regelmäßig: „Was kann ich aus dieser Situation lernen?“ oder „Welche Handlungsspielräume habe ich hier?“ 
  • Selbstfürsorge pflegen: Achte auf ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Bewegung. Welche deiner Gewohnheiten tun dir gut und welche nicht? 
  • Negative Gedanken prüfen: Sind sie wirklich wahr? Gibt es eine andere Perspektive? 

Was kann ich tun, wenn ich nicht genügend Mut und Energie habe und meine Selbstwirksamkeit nicht spüre?

Rebecca: Ich kann mich zunächst ganz konkret fragen: Trifft das auf all meine Lebensbereiche zu? In welchem Bereich erlebe ich mich doch mutig und habe Energie? Wenn mir die Energie fehlt, sportliche Ziele zu erreichen, verspüre ich vielleicht dennoch Lust, Musik zu machen. Und genau diese Aktivität kann ich dann als Stütze, als Ressource kultivieren.

Lisa: Genau: Es hilft, sich ganz kleine, erreichbare Ziele zu setzen, denn jeder Erfolg stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Auch Selbstfürsorge ist wichtig: innehalten und die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen. Es braucht manchmal Mut, aber es ist ein Zeichen von Stärke, sich Unterstützung zu holen, wenn man sie benötigt – sei es im Freundeskreis, in der Familie oder auch bei professionellen Ansprechpersonen.

Rebecca Luczak

"Mentale Stärke heißt, seine Ressourcen zu aktivieren"

Rebecca Luczak beschäftigt sich wissenschaftlich und in der
Praxis mit dem Thema Veränderungen: Als Change-Expertin und systemischer Coach begleitet sie Veränderungsprozesse bei SIGNAL IDUNA. Rebecca hat International Management und Wirtschaftspsychologie studiert und eine zertifizierte Coaching-Ausbildung bei der Systemischen Gesellschaft e. V. absolviert.

Was hilft, konstruktiv mit Niederlagen umzugehen? Wie bewahren wir uns dennoch unsere Träume?

Rebecca: Nach einer Niederlage brauche ich erst einmal Zeit, um meine Emotionen zu verarbeiten und die Situation zu akzeptieren. In dieser Phase können mir zum Beispiel Gespräche mit vertrauten Menschen und Selbstfürsorge helfen. Dann kann ich langsam den Blick nach vorne richten und mich fragen: Was ist passiert? Was kann ich daraus lernen? Wegen einer Niederlage muss ich meinen Traum nicht aufgeben: Ich kann ihn anpassen. Denn in der Niederlage liegt auch die Chance, das „Danach“ zu gestalten.

Lisa: Um Träume zu bewahren, hilft es, sich immer wieder den ursprünglichen Sinn und Zweck vor Augen zu führen. Wichtig ist, den Fokus nicht auf das Scheitern, sondern auf die gewonnenen Erkenntnisse zu legen. Jedes Leben ist ein Auf und Ab. 

Quellen

[1] Pema Chödrön: Wenn alles zusammenbricht. Hilfestellung für schwierige Zeiten (Goldmann Verlag)

[2] Carol Dweck: Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt (Piper Verlag)

[3] Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie: Forschung der Positiven Psychologie | DGPP

[4] Dr. Judith Mangelsdorf: Positive Psychologie. Stärker durch Krisen: Keynote Dr. Judith Mangelsdorf | Positive Psychologie | Stärker durch die Krise - YouTube

[5] Dr. Kristin Neff: Self-Compassion by Kristin Neff

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