Lohnt sich die Selbstbeteiligung in der Privathaftpflicht?

Lars Schliewe
6 Min. Lesezeit

Die Vertragskosten einer Haftpflicht­versicherung mit Selbstbeteiligung scheinen günstiger. Doch die Rechnung geht am Ende nicht auf. Warum eine Haftpflicht ohne Selbstbeteiligung laut Stiftung Warentest und Verbraucherschutz mehr Sinn für Sie ergibt.

Veröffentlicht am 31. August 2021

Stressed young man going over bills and payments in the kitchen

Kurzer Überblick

  • Die Haftpflicht­versicherung sichert Sie ab, wenn Sie anderen einen Schaden zufügen. Das gilt für kleine Missgeschicke genauso wie für schwere Unfälle, die zum Teil existenzbedrohende Forderungen nach sich ziehen können.
  • Bei Policen mit Selbstbeteiligung tragen Sie Schäden bis zu einem bestimmten Betrag immer selbst. In der Regel liegt dieser Selbstbehalt zwischen 100 und 300 Euro pro Schadenfall.
  • Eine Selbstbeteiligung senkt den regelmäßig zu zahlenden Versicherungsbeitrag. Daher bewerben viele Versicherer die günstigen Tarife mit Selbstbeteiligung.
  • Verbraucherschützer raten jedoch grundsätzlich von einer Selbstbeteiligung ab. 

Wozu dient die Haftpflichtversicherung?

Die private Haftpflicht­versicherung gehört zu den wichtigsten Versicherungen überhaupt, denn schon kleine Missgeschicke können großen Schaden verursachen. Gerade wenn Menschen verletzt werden und womöglich langfristig gesundheitlich eingeschränkt bleiben, sind die Schadenersatzansprüche sehr hoch. Laut Gesetz haften Verursacher in solchen Fällen mit ihrem gesamten Vermögen – einschließlich des zukünftigen Einkommens. Gut, wenn man dann entsprechend versichert ist. Noch besser: Solche Privathaftpflicht­versicherungen sind schon für kleines Geld zu haben. 

Obendrein greift die Privathaftpflicht schon bei kleineren Schäden im Alltag. Beispielsweise wenn das Smartphone der neuen Bekanntschaft aus der Hand fällt und am Boden zersplittert, während man die eigene Telefonnummer eintippt. Oder wenn das volle Rotweinglas auf der Couch der neuen Nachbarin landet, als man ihr auf der Einweihungsparty zuprostet. Solche Missgeschicke sind alles andere als existenzbedrohend. Ärgerlich und teuer sind sie trotzdem. Gut, wenn dann die Haftpflicht schnell und unkompliziert zahlt.

Sparen durch Selbstbeteiligung?

Weil die Haftpflicht­versicherung vor allem existenzbedrohende Risiken abdecken soll, stellt sich die Frage, ob denn wirklich jeder noch so kleine Schaden mitversichert sein muss. Kann man mit einem Selbstbehalt nicht ein wenig Geld beim Versicherungsbeitrag sparen? Die kurze Antwort: Man kann! Tatsächlich bieten sehr viele Versicherer diese Option an. Aber lohnt sich das wirklich?

Das Versprechen ist einfach: Von jedem Schaden übernimmt der Versicherte einen bestimmten Eigenanteil, der in der Regel irgendwo zwischen 100 und 300 Euro liegt. Einige Versicherungen bieten sogar Verträge mit bis zu 1.000 Euro Selbstbeteiligung an. Wie hoch der Selbstbehalt genau ausfällt, wird bei Vertragsabschluss festgelegt. 

Im Gegenzug vergünstigt sich der zu zahlende Versicherungsbeitrag. Tarifvergleiche im Internet zeigen, dass Verträge mit besonders hoher Selbstbeteiligung tatsächlich zum Teil nur halb so viel kosten wie jene ganz ohne Selbstbeteiligung. Auf den ersten Blick erscheint das sinnvoll: Eine Haftpflicht ist schließlich vor allem dazu da, fundamentale Risiken abzudecken. Warum also nicht kleine Schäden selbst begleichen und dafür jeden Monat bares Geld sparen? Leider geht diese Rechnung selten auf.

Geringe Ersparnis, größeres Risiko

In der Realität spricht tatsächlich vieles gegen die Selbstbeteiligung. Zum einen kommen Missgeschicke naturgemäß plötzlich und unerwartet. Wer weiß schon, ob er wirklich jederzeit 1.000 Euro für das ruinierte Laptop eines Freundes entbehren kann. Schade, wenn dafür vielleicht der Urlaub ausfallen muss. Außerdem können sich Missgeschicke häufen. Für jedes einzelne ist dann im schlimmsten Fall die volle Selbstbeteiligung fällig. Das summiert sich.

Vor allem aber geht es bei Schadenfällen in der Haftpflicht oft nicht nur um Geld. Wer will schon über einen kleinen Schaden mit Freunden oder Nachbarn in Streit geraten. Umgekehrt fordert man als Geschädigter vielleicht ungern von Freunden Schadenersatz, wenn der Betreffende Hunderte Euro davon selbst aufbringen muss. Stattdessen bleibt dann der Fleck auf der Lieblingsjacke, der Riss im Handydisplay oder der Kratzer am Auto – und damit die unschöne Erinnerung. Eine Haftpflicht­versicherung ohne Selbstbeteiligung, bei der man gar nicht erst überlegen muss, wer im Zweifel den Schaden übernimmt, kann da im Alltag durchaus unangenehme Diskussionen und sogar die Freundschaft retten.

Vor allem jedoch ist die tatsächliche Beitragsersparnis bei Haftpflicht­versicherungen mit Selbstbeteiligung recht gering. Das liegt in erster Linie daran, dass Privathaftpflicht­versicherungen an sich schon nicht teuer sind. Eine günstige Police für Singles ohne Selbstbeteiligung ist schon für weniger als 4 Euro im Monat zu haben und eine solide Absicherung für die ganze Familie auch nicht viel teurer. Selbst wenn ein Vertrag mit 1.000 Euro Selbstbeteiligung nur die Hälfte kostet, spart das also kaum mehr als zwei Euro im Monat – oder 24 Euro im ganzen Jahr. Um einen einzigen Schaden von 1.000 Euro mit dieser Beitragsersparnis zu kompensieren, müsste man demnach über 40 Jahre schadenfrei bleiben.

 

Verbraucherschützer warnen

Kein Wunder also, dass sowohl Stiftung Warentest als auch die Verbraucherzentrale aus diesen Gründen von Angeboten mit Selbstbeteiligung abraten. Stattdessen lohne es sich zum Beispiel, den Versicherungsbeitrag jährlich zu zahlen statt monatlich. Dadurch ergibt sich bei vielen Versicherern ein kleiner Rabatt – und das ganz ohne Auswirkungen auf die Leistung im Schadenfall. Außerdem bieten Versicherer zum Teil Treuerabatte oder Nachlässe für gebündelte Verträge. 

Versteckte Selbstbeteiligung vermeiden

Dennoch sollten Kunden die einzelnen Policen immer genau vergleichen. Selbst Verträge ohne allgemeine Selbstbeteiligung enthalten oft Bedingungen, die eine Art „versteckte” Selbstbeteiligung für bestimmte Schadenfälle darstellen. So sind deliktunfähige Kinder bis zum siebten Geburtstag in Familien­versicherungen meist mitversichert, in Basistarifen aber oft erst ab einem bestimmten Selbstbehalt und bis zu einer geringeren Deckungssumme. Alles darunter und darüber müssen Eltern gegebenenfalls aus eigener Tasche zahlen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte daher einen Vertrag wählen, der beispielsweise auch für deliktunfähige Kinder die volle Deckung ohne Selbstbeteiligung gewährleistet.

Auch sollten man prüfen, welche Leistungen im jeweiligen Tarif eingeschlossen sind bzw. ggf. Zuschläge kosten. Ein Beispiel hierfür ist die Forderungsausfalldeckung. Diese ist ein wichtiger Baustein für jede Privathaftpflicht. Sie übernimmt eigene Schäden, wenn der Verursacher selbst nicht haftpflichtversichert und mittellos ist. Hier greifen manche Basistarife erst ab einer Schadenhöhe von mehreren Tausend Euro. Alle Schäden, die darunter liegen, müssen Versicherte selbst abdecken. 

Fazit: Vergleichen lohnt sich, Selbstbeteiligung nicht

Wer rundum abgesichert sein will, sollte immer Verträge ohne Selbstbeteiligung wählen. Am besten sind Tarife, die auch keine „versteckten” Selbstbehalte vorsehen. Gerade preisbewusste Kunden sollten sich nicht von vermeintlich günstigen Angeboten mit hohen Selbstbeteiligungen blenden lassen. Im Schadenfall ist man in einem umfassenderen Tarif immer besser aufgehoben und muss dann auch häufigere kleinere Schäden nicht fürchten. 

Fragen und Antworten

Über den Autor

Chapter Lead Marktmanagement Exklusivvertrieb
Lars Schliewe

Lars Schliewe arbeitet im Produktmarketing der SIGNAL IDUNA und ist Experte für alle Fragen rund um Hausrat- und Haftpflicht­versicherung. In seiner Freizeit geht er gern Klettern und Wandern. Außerdem interessiert sich der Familienvater leidenschaftlich für Fußball.

Lars Schliewe

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