Wie du lernen kannst, mit Drucksituationen umzugehen

Ob im Büro, im Hörsaal oder im privaten Umfeld – stressige Situationen kennt jeder. Für Roman Weidenfeller, langjähriger BVB-Torhüter, ist Druck kein Störfaktor, sondern Antrieb. Wie auch du abseits des Spielfelds einen kühlen Kopf bewahren kannst.

Veröffentlicht am 06.10.2025
5 Min. Lesezeit

Wie Drucksituationen entstehen

Es sind jene Momente, die so intensiv sind, dass die Welt um einen herum zu verschwinden scheint: „Wenn der Gegenspieler allein mit dem Ball auf dein Tor zuläuft, wird es plötzlich still. Du hörst nur noch deinen eigenen Herzschlag“, erinnert sich Roman Weidenfeller an so manche Situation als Torwart bei Borussia Dortmund. Jene Momente, in denen er Stress in Energie verwandelt und sich zutiefst fokussiert hat. Denn: „Fans, Trainer, Mitspieler, sie alle bauen darauf, dass du das Gegentor verhinderst.“

Die Situation, wie Roman Weidenfeller sie beschreibt, kennen viele auch abseits des Fußballplatzes: Vor einer wichtigen Präsentation, in einem Bewerbungsgespräch oder wenn eine Entscheidung weitreichende Folgen hat, wird das Herz schwer, die Hände feucht. Manchmal ist es schlicht Lampenfieber – die Nervosität, erstmals vor großem Publikum oder wichtigen Kundinnen und Kunden zu sprechen.

"Emotionen haben nichts mit Schwäche zu tun"

„Wichtig ist, Drucksituationen nicht nachzugeben, und sich vom möglichen Scheitern nicht entmutigen zu lassen“, erklärt Philip Dewey, Experte im Gesundheitsexperte bei SIGNAL IDUNA. Der erste Schritt, so sein Rat, läge in der bewussten Wahrnehmung, zum Beispiel von körperlichen Stresssignalen. „Atme tief durch und erkenne an, dass solche Emotionen menschlich sind und nichts mit Schwäche zu tun haben.“

Stress ist im Leben allgegenwärtig. Auch tägliche Situationen lösen Druck aus, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum ziehen: etwa ein Projekt, das über Monate läuft, oder die Verantwortung als Elternteil und als Person, die ein Familienmitglied pflegt. „Teile große Aufgaben in kleine Schritte“, empfiehlt Denise Rosenthal, die eng mit Philip Dewey als Gesundheitsexpertin bei SIGNAL IDUNA zusammenarbeitet. „Sage dir: Ich schaff das. Ein Schritt nach dem anderen.“ 

Wichtig sei, sich nicht von der Last des Ganzen erdrücken zu lassen, sondern sich auf das zu konzentrieren, was als Nächstes kommt. „Positive Selbstbestätigung schenkt Selbstvertrauen und beruhigt. Sei dir einfach selbst dein bester Freund oder deine beste Freundin.“ In diese Rolle zu schlüpfen und das Selbstwertgefühl mit aufbauenden Worten zu stärken, hat nachweislich positive Effekte auf die Stressreduktion. Das belegt auch eine Studie der Carnegie Mellon Universität im US-amerikanischen Pittsburgh.

Roman Weidenfeller

"Es geht darum, das Ganze positiv zu sehen."

Roman Weidenfeller stand von 2002 bis 2018 im Tor von Borussia Dortmund. Als „letzter Mann“ trug er in zahlreichen Partien Verantwortung für spielentscheidende Situationen. Mit dem BVB wurde er zweimal Deutscher Meister, gewann ebenfalls zwei Mal den DFB-Pokal und stand 2013 im Champions-League-Finale. Im selben Jahr debütierte er in der deutschen Nationalmannschaft, 2014 feierte er den WM-Titel in Brasilien.

Fokus und Routinen als Stresskiller

Die beste Vorbereitung beginnt mit einem klaren Ziel. Das hatte Roman Weidenfeller immer vor Augen: Fußballprofi werden, Erfolge feiern, Titel gewinnen. Für diesen Traum hat er diszipliniert gearbeitet. Ziele können auch dir helfen, in stressigen Phasen durchzuhalten, denn sie geben Richtung und Motivation – selbst dann, wenn es schwerfällt. Doch wie kannst du dir das immer wieder vor Augen halten?

„Schreib dir deine wichtigsten Ziele auf“, empfiehlt Philip Dewey, „zum Beispiel als Post-It am Kühlschrank oder Notiz im Handy. Wenn du wieder einmal Druck verspürst, schau dir dein Ziel bewusst an: Dein Warum zu kennen, hilft dir, durchzuhalten und deine Träume weiterzuverfolgen.“

Wichtiger als Ziele allein sind Routinen, die im Alltag verankert sind. „Rituale bringen Normalität in Ausnahmesituationen“, sagt Philip Dewey. Ein fester Ablauf vor Präsentationen, ein Spaziergang vor wichtigen Meetings, Zeit mit der Familie verbringen, Sport machen oder ein vertrautes Frühstück am Prüfungstag – all das verleihe Stabilität.

Philip Dewey

"Rituale bringen Normalität in Ausnahmesituationen"

Philip Dewey ist seit 2017 Gesundheitsexperte bei SIGNAL IDUNA. Er arbeitet im Betrieblichen Gesundheitsmanagement, analysiert Bedarfe zu Maßnahmen wie Stressprävention oder Ergonomie und evaluiert deren Wirksamkeit. Sein Ziel ist es, durch präventive Maßnahmen und gezielte Angebote eine gesunde und produktive Arbeitsumgebung zu schaffen.

Reine Kopfsache: In Druckmomenten locker bleiben

Sind Stress und Drucksituationen am Ende also nur eine Frage der Einstellung? Ein Trick, auf den unser Kopf reinfällt? Tatsächlich steckt dahinter mehr als nur eine Binsenweisheit. Schließlich ist Druck auch ein Zeichen dafür, dass dir etwas wichtig ist.

Entscheidend ist also nicht, Druck zu verspüren, sondern richtig damit umzugehen. Das zeigt auch eine Untersuchung aus den USA. Forschende der Universität Rochester ließen Studierende vor Prüfungen ihren Stress bewusst neu einordnen: nicht als Gefahr, sondern als Hinweis darauf, dass der Körper leistungsbereit ist. Das Ergebnis: weniger Prüfungsangst, niedrigere Stresshormone.

„Unsere Sicht entscheidet, ob Stress uns lähmt oder antreibt“, erklärt Denise Rosenthal. Genau hier setzt das so genannte Reframing (deutsch: Umdeutung) an. „Statt zu denken, dass du scheitern könntest, kannst du dir sagen: Das ist meine Chance, zu wachsen.“ Dieser kleine gedankliche Perspektivwechsel verändert die Wirkung des Drucks: Aus Angst wird Spannung, aus Nervosität Vorfreude. „Wenn du es schaffst, diesen Druck nicht als Bedrohung, sondern als Energie-Booster umzudeuten, kannst du das Gedankenkarussell im Kopf ausschalten“, betont auch Philip Dewey. 

Reframing in Drucksituationen: Vier Tipps für mehr Entspannung

  • Nimm körperliche Anzeichen von Druck bewusst wahr: Herzklopfen, Nervosität, Anspannung.
  • Benenne die Situation: „Das ist ein wichtiger Moment für mich.“
  • Formuliere einen positiven Glaubenssatz, zum Beispiel: „Das Kribbeln zeigt, dass ich bereit bin – ich schaffe das.“
  • Wiederhole ihn leise oder in Gedanken, bis die erste Nervosität nachlässt und du dich entspannst.

Durchatmen, wenn die Gedanken kreisen

Manchmal lässt sich Optimismus jedoch nicht erzwingen. Dann hilft es, den Spieß umzudrehen. Was wäre das Schlimmste, was passieren kann? Vielleicht geht ein Job an jemand anderen, vielleicht passiert ein Versprecher im Vortrag. „Fast alle vermeintlich negativen Szenarien sind halb so schlimm“, sagt Philip Dewey. „Und am Ende kannst du eigentlich nur gewinnen: entweder Selbstvertrauen, wenn es gut läuft. Oder Widerstandskraft, wenn es schiefgeht.“

Hilfreich ist auch etwas Praktisches: Atmung. „Sie funktioniert wie ein Herunterfahren des Körpers“, erklärt Denise Rosenthal. „Tiefe Atemzüge, zum Beispiel mit der 4-7-11-Methode senken den Stresspegel sofort.“ Danach, sagt sie, sei man „entspannter und klarer im Kopf“ und fördere bewusst die mentale Gesundheit.

Die 4-7-11-Atmung: So setzt du sie Schritt für Schritt um

  • Setz dich aufrecht hin. Lockere deine Schultern und lege die Hände auf deine Oberschenkel.
  • Atme vier Sekunden lang tief in den Bauch ein.
  • Atme danach sieben Sekunden lang aus und lasse die Luft gleichmäßig und vollständig entweichen.
  • Wiederhole das Ein- und Ausatmen für elf Minuten. Der gleichmäßige Rhythmus bringt deinen Körper zur Ruhe. Herzfrequenz und Stresslevel sinken, die Konzentration nimmt zu.

Rückhalt suchen, um gemeinsam stärker zu werden

Innere Stärke wächst auch dort, wo andere hinter einem stehen. Für Roman Weidenfeller war es das Team: „Ist stand nie allein auf dem Platz.“ In anderen Situationen können es die Familie, der Freundeskreis oder Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeit sein. Wer Rückhalt spürt, muss Druck nicht allein schultern. Schon das Wissen, dass jemand da ist, wirkt oft entlastend.

„Sprich offen über das, was dich belastet“, empfiehlt Denise Rosenthal. Oft reiche ein ehrliches Gespräch, um Sorgen zu relativieren. Gemeinschaft hat eine eigene Kraft: Sie ordnet die Gedanken, schenkt neue Perspektiven und vermittelt das Gefühl, nicht allein kämpfen zu müssen.

Studien, zum Beispiel vom Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen (LIFE), zeigen zudem, dass sozialer Rückhalt wie ein Schutzschild wirkt: Er dämpft Stressreaktionen, fördert die psychische Stabilität und stärkt die Resilienz. In Momenten hoher Belastung kann schon eine kleine Geste viel bewirken: ein Zuspruch, eine Umarmung, eine kurze Nachricht.

„Zusammenhalt ist dabei keine Einbahnstraße“, betont Philip Dewey. Es gehe nicht nur darum, Hilfe anzunehmen, sondern auch darum „für andere da zu sein“. In diesem Wechselspiel entsteht Vertrauen und die Kraft, die Einzelne in Drucksituationen stark macht.

Denise Rosenthal

"Positive Selbstbestätigung schenkt Selbstvertrauen"

Denise Rosenthal ist Gesundheitsexpertin und seit 2008 bei SIGNAL IDUNA. Im Betrieblichen Gesundheitsmanagement ist sie Treiberin für die Umsetzung von Gesundheitsinitiativen im Unternehmen. Ihr Fokus liegt darauf, Mitarbeitende zu erreichen, zu motivieren und sie für die vielfältigen Angebote zur Gesundheitsförderung zu begeistern, um nachhaltig positive Veränderungen zu bewirken.

„Das Glas ist immer halbvoll“

Druck, so zeigt Weidenfellers Beispiel, ist unvermeidlich. Entscheidend ist, wie du damit umgehst: erkennen, annehmen, mentale Stärke entwickeln. Am Ende bleibt die wichtigste Botschaft: Wer an sich glaubt, wird dem Druck standhalten – und seine Träume trotz kleiner Stolperfallen nicht aus den Augen verlieren. Oder wie Roman Weidenfeller sagt: „Das Glas ist immer halb voll. Es geht darum, das Ganze positiv zu sehen, sich auf sich selbst zu fokussieren, und im Leben nach vorne zu schauen.“

Quellen

[1] J. David Creswell et al: Self-Affirmation Improves Problem-Solving under Stress | PLOS One. PLOS ONE, 2013.

[2] Jeremy P. Jamieson et al: Reappraising stress arousal improves affective, neuroendocrine, and academic performance outcomes in community college classrooms - PubMed. Journal of Experimental Psychology, 2022.

[3] Elena Caroline Weitzel et al: Soziodemografische und soziale Korrelate selbstberichteter Resilienz im Alter – Ergebnisse der populationsbasierten LIFE-Adult-Studie - PMC. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 2023.

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