Was Lebensträume für uns bedeuten

Marisa Reinhard
7 Min. Lesezeit

Im Alltag wirken Träume oft wie flüchtige, ungreifbare Phänomene, die nur in der Nacht existieren und von der Realität getrennt sind. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Begriff "Traum" viel mehr umfasst. Wovon wir im Leben träumen, warum wir damit aufhören – und was uns wirklich beflügelt.

Veröffentlicht am 07. Februar 2025

Ein Portrait einer Frau, die im Zug sitzt und nachdenklich aus dem Fenster schaut

Hinter Träumen verbergen sich Ziele und Sehnsüchte

Träume sind nicht nur nächtliche Fantasien, sondern auch Visionen, Hoffnungen und Wünsche, die uns durchs Leben begleiten. Wenn wir uns fragen, was unsere Träume sind, denken wir nicht unbedingt daran, wovon wir im Schlaf träumen. Oft verbergen sich dahinter große Ziele oder Sehnsüchte, die wir für unser Leben hegen. Diese Lebensträume prägen uns weit über die Phasen des Schlafens hinaus. 

Träume träumen vs. Träume leben?

Wenn Sie das Wort „Traum“ hören, denken Sie vielleicht zunächst daran, was Sie neulich im Schlaf erlebt haben: Vielleicht haben Sie geträumt, dass Sie Ihr Abitur doch nicht bestanden haben und Ihre gesamte Karriere plötzlich wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Oder Sie sind friedlich in einem Boot über einen ruhigen Fluss gepaddelt, begleitet von flauschigen Entenküken und Blütenblättern. Was sich auch immer vor Ihnen abgespielt hat: Nachts läuft das Gehirn manchmal zu kreativen Höchstleistungen auf. 

Doch während wir meist noch bis ins hohe Alter in diese Parallelwelten eintauchen, gehen uns die anderen Träume, die Lebensträume, manchmal früher aus. Auch wenn sie realer und Teil unseres Lebens sind, erscheinen sie manchmal unrealistischer als ihre nächtlichen Namensvetter. Doch sind beide Traumwelten so unterschiedlich? 

Von der Philosophie zu Lebensrealitäten: Was sind Träume?

Das Wort „Traum“ stammt vom althochdeutschen „troum“, das früher so viel wie Trugbild bedeutete. Kein Wunder also, dass der Begriff in der Philosophie häufig als Zustand zwischen Realität und Wunsch beschrieben wird. Schon im 18. Jahrhundert beschrieb der Philosoph Immanuel Kant Träume als Projektionsfläche des Verlangens, die uns sowohl unsere tiefsten Ängste als auch unsere höchsten Wünsche vor Augen führt.

Siegmund Freud, Vater der Psychoanalyse und Erfinder moderner Traumdeutung, hielt unsere nächtlichen Träume für eine Reflexion unseres realen Lebens, das wir tagsüber leben. Für ihn waren Träume Ausdruck unserer Wünsche oder Sehnsüchte, die oft tief in unserem Inneren vergraben seien. Während wir in nächtlichen Träumen verdrängte Konflikte und unerfüllte Wünsche verarbeiten, spiegeln sich in den Lebensträumen die größeren, langfristigen Hoffnungen und Ziele wider, die unser Handeln und Streben leiten. Diese Lebensträume sind oft nicht sofort realisierbar oder bewusst formuliert. Sie  entwickeln sich als Visionen, die uns motivieren, nach dem Sinn im Leben zu suchen.

Genau wie Freuds Interpretation von Träumen, die uns zu verborgenen Aspekten unserer Psyche führen, können Lebensträume zu einer tieferen Erkenntnis unserer wahren Wünsche und Werte führen – und dabei helfen, uns auf unserem Lebensweg zu orientieren.

Wovon träumen Menschen in Deutschland und Europa?

Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Traumforschung aus dem Jahr 2022 hat sich der Anteil von Menschen in Deutschland, die von großen Lebensträumen sprechen, in den letzten Jahrzehnten reduziert. Während in den 1970er-Jahren noch 72 Prozent der Befragten angaben, einen festen Lebenstraum zu haben, waren es 2022 nur etwa 43 Prozent.

Eine lachende Frau sitzt auf dem Lenker eines Fahrrads, das ein Mann fährt.

In Deutschland zählen eine erfüllende Partnerschaft und Zeit mit den Liebsten zu den häufigsten Lebensträumen.

Welche Lebensträume Menschen in Deutschland am häufigsten haben, untersuchte 2022 eine Studie von Swiss Life Select. Dabei stellten die Forschenden fest, dass 42 Prozent der über 55-Jährigen das Reisen zu ihren wichtigsten Lebenszielen zählen, während dies bei den 18- bis 34-Jährigen nur 27 Prozent sind. Zudem wünschen sich jüngere Menschen vermehrt Freizeit, um diese mit ihren Liebsten zu verbringen. Dieser Wunsch ist für 34 Prozent der Befragten ein bedeutender Lebenstraum.

Über alle Altersgruppen hinweg bleibt die Suche nach einem Lebenspartner oder einer Lebenspartnerin ein bedeutender Lebenstraum: 28 Prozent der Befragten geben an, davon zu träumen, diese besondere Person zu finden. Damit rangiert der Wunsch nach einer erfüllenden Beziehung sogar vor dem Traum vom Eigenheim.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern scheinen die Deutschen in ihrer Traumwelt eher zurückhaltend. Eine Jugendstudie des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) aus dem Jahr 2023 ergab, dass rund zwei Drittel der jungen Menschen in Frankreich besorgt in die Zukunft blicken. Ihre Lebensträume sind weniger, dass sie die Welt sehen wollen – vielmehr wollen sie diese retten: Besonders die Unzufriedenheit über Beteiligungsmöglichkeiten und der Klimawandel werden als größte Herausforderungen wahrgenommen. 

In Spanien und Italien sind Träume häufig mit familiären Werten und sozialen Bindungen verbunden, was sich in der Vorstellung von einem Leben im Kreise der Familie oder einem guten sozialen Netzwerk widerspiegelt.

Träume im Wandel des Lebens: Von der Jugend bis ins Alter

Die Frage, ob sich Träume im Laufe des Lebens verändern, ist besonders spannend. Die Antwort darauf lautet eindeutig: Ja. Jüngere Menschen, vor allem in ihren Zwanzigern, träumen oft von Freiheit, Abenteuer und Selbstverwirklichung. Sie möchten die Welt bereisen, Karriere machen und neue Erfahrungen sammeln. In einer Umfrage unter deutschen Studierenden gab mehr als die Hälfte an, dass sie von einem Leben im Ausland träumen oder einer kreativen Karriere nachgehen möchten.

Im Gegensatz dazu ändern sich die Träume mit dem Alter. In den Vierzigern und Fünfzigern beginnen viele, ihre Träume an die Realität anzupassen. Der Fokus verschiebt sich auf eine stabile Karriere, ein erfülltes Familienleben und die Erreichung finanzieller Sicherheit. Was früher ein Wunsch nach Abenteuer und Veränderung war, wird nun durch Ruhe, Ausgeglichenheit und Gesundheit ersetzt.

Interessanterweise ist es auch ein soziales Phänomen, dass Träume in späteren Lebensphasen häufig nachlassen. Eine Umfrage unter Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland zeigt, dass viele von ihnen ihre „großen Träume“ längst abgelegt haben, um den Fokus auf das Hier und Jetzt zu legen. Träume erscheinen in den letzten Lebensjahren oft als Luxus, den sich nur jene leisten können, die noch nicht alle Weichen gestellt haben.

Warum werden Träume weniger?

Doch warum gehen uns im Laufe unseres Lebens die Träume aus? Vielleicht liegt es daran, dass das Leben in geregelteren Bahnen verläuft: Beruf, Familie, finanzieller Status – all dies stellt uns vor die Herausforderung, unsere Träume an die gelebte Realität anzupassen. Träume sind oft verbunden mit dem Gefühl, dass noch nicht alles erreicht oder entschieden ist. Sobald die großen Entscheidungen des Lebens getroffen sind, haben viele das Gefühl, dass ihre Traumphase vorbei ist.

Anderen geht schlicht die Zeit für ihre Träume aus. In einer Gesellschaft, die immer schneller wird und in der Erfolg oft in Zahlen gemessen wird, bleibt wenig Raum für das flüchtige, unerreichbare Element eines Traumes. Träume erfordern Zeit und Mut. In einem Umfeld, das auf Effizienz und Produktivität setzt, haben viele Menschen das Gefühl, dass es keinen Platz mehr für ihre Visionen gibt.

Sollten wir mehr träumen?

Trotz der Herausforderungen, vielleicht sogar Enttäuschungen, die mit Lebensträumen verbunden sind, sind sie keineswegs überflüssig. Sie haben das Potenzial, uns zu beflügeln, uns durch schwierige Phasen zu tragen und uns immer wieder neu zu motivieren. Die Frage, wovon wir träumen, ist damit nicht nur eine Frage der persönlichen Sehnsüchte, sondern auch eine der gesellschaftlichen Werte und Perspektiven.

Was können wir tun, um unsere Träume vor der vernichtenden Macht des Pessimismus zu schützen? Vielleicht hilft es, den Traum nicht als etwas weit entferntes, Unerreichbares zu betrachten, sondern als ständigen Begleiter, der uns durchs Leben führt. Der uns auch hilft, trotz Rückschlägen nicht aufzugeben. Ein Traum muss nicht immer realisierbar sein – er muss vor allem bedeutungsvoll sein.

Joyful man is pushing trolley with baggage and his girlfriend on their way to airport. Website banner

Träume sind ständige Begleiter: Sie beflügeln uns, helfen durch schwierige Phasen und können uns die Richtung im Leben weisen.

Pläne dürfen scheitern, Träume nicht

Sollten wir also nach dem Motto „Pläne dürfen scheitern, Träume nicht“ leben?  Warum nicht? Denn vielleicht geht es darum, den Traum nicht als endgültiges Ziel zu sehen, sondern als eine Quelle der Inspiration, die uns auch in schweren Zeiten die Richtung weist. Ein Traum muss nicht zwingend in Erfüllung gehen, denn manchmal ist schon die Reise dorthin genau das, was wir uns immer gewünscht haben.

Träume sind mehr als flüchtige Gedanken der Nacht. Sie sind Ausdruck unserer tiefsten Wünsche und Sehnsüchte, die uns durch unser Leben begleiten. Sie sind wandelbar, abhängig von Alter, Lebenssituation und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Doch trotz der Herausforderung, große Träume im hektischen Alltag zu bewahren, bleibt die Frage, wovon wir träumen, ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Und vielleicht ist es gerade der Mut zu träumen, der uns immer wieder daran erinnert, was im Leben wirklich wichtig ist.

Über die Autorin

Marisa Reinhard

Marketingmanagerin

Marisa Reinhard ist Marktmanagerin im Digitalmarketing der SIGNAL IDUNA. Als Expertin für alle Fragen rund um das private und gewerbliche Komposit-Geschäft verfasst sie Ratgeberartikel zu Themen wie Hausrat-, Haftpflicht-, Gebäude-, Kfz-, Unfall- und Gewerbeversicherungen. Die studierte Wirtschaftspsychologin widmet sich nebenberuflich der Foto- und Videografie. 

Marisa Reinhard